Die wichtigsten Fragen auf einen Blick

Genetik und Vererbung bei SMA

Als genetische Erkrankung wird die spinale Muskelatrophie von den Eltern an ihre Kinder vererbt. Hier findest Du anschauliche Erklärungen, welche Konstellationen bei der Vererbung von SMA möglich sind, und Du bekommst einen verständlichen Einblick in die Genetik.

Die 5q-assoziierte Spinale Muskelatrophie ist eine erblich bedingte Erkrankung und wird durch eine Deletion oder Mutation des SMN1-Gens verursacht. Das klingt erstmal kompliziert, aber so schwer ist das gar nicht. Hier erklären wir Dir, was zu den Themen „Genetik und Vererbung bei SMA“ relevant ist.

Unsere Erbinformation

Welche Augenfarbe habe ich? Welchem Geschlecht gehöre ich an? Wie groß werde ich? Alle diese Merkmale werden durch unsere Erbinformation bestimmt. Diese erhalten wir zu gleichen Teilen von unseren Eltern – wir haben also die Hälfte der Informationen von unserer Mutter und die andere Hälfte von unserem Vater.

Die einzelnen Informationsabschnitte der Erbinformation werden Gene genannt. Auch für das bei SMA so wichtige SMN-Protein gibt es Gene – das SMN1- und das SMN2-Gen. Die Gene liegen nebeneinander auf langen DNA-Fäden. DNA steht für „deoxyribonucleic acid“. Der deutsche Begriff dafür lautet „Desoxyribonukleinsäure“ (DNS). Da die DNA-Fäden sehr lang sind, liegen sie aufgerollt als sogenannte Chromosomen im Zellkern vor.

Vererbung

Jeder Mensch hat 46 Chromosomen: 44 Autosomen und 2 Gonosomen (Geschlechtschromosomen, X- und Y-Chromosomen) – 23 Chromosomen von der Mutter und 23 Chromosomen vom Vater. Immer zwei dieser Chromosomen gehören zusammen und bilden ein Chromosomenpaar. In einem Paar enthalten beide Chromosomen in der Regel Informationen zu den gleichen Merkmalen, wie z. B. die Augenfarbe. Deswegen besitzen Menschen die meisten Gene normalerweise auch zweimal: eine Kopie auf dem Chromosom mütterlicherseits und eine Kopie auf dem Chromosom väterlicherseits.

Es wird zwischen einer autosomalen und einer gonosomalen Vererbung unterschieden. Bei einer gonosomalen Vererbung liegt das vererbte Gen auf einem der beiden Geschlechtschromosomen und bei einer autosomalen Vererbung auf einem der 44 Autosomen – im Fall von SMA auf Chromosom 5.

Zudem können Gene dominant oder rezessiv vererbt werden. Rezessiv bedeutet, dass im Fall von SMA von beiden Eltern ein fehlendes oder defektes SMN1-Gen vererbt werden muss, damit es zur Erkrankung kommt. Würde SMA dominant vererbt, würde schon ein fehlendes bzw. beschädigtes SMN1-Gen von einem Elternteil ausreichen, um SMA zu verursachen.

Wie wird SMA vererbt?

SMA ist eine genetische Erkrankung und wird autosomal-rezessiv vererbt: Betroffene haben also zwei fehlende oder defekte SMN1-Gene.1 Menschen mit nur einem fehlenden oder beschädigten SMN1-Gen sind Träger für SMA, erkranken aber nicht selbst. Im Folgenden findest Du einen Überblick über die möglichen Konstellationen bei der Vererbung von SMA (s. Abb. 1a bis 1e).

Abbildung Vererbung bei SMA

Abb. 1a: Beide Eltern sind Träger bzw. Trägerin für SMA. Sowohl Vater als auch Mutter haben ein fehlendes oder beschädigtes SMN1-Gen. Das bedeutet, dass sie zwar Träger bzw. Trägerin, aber selbst nicht erkrankt sind. Bekommen sie Nachwuchs, besteht eine 50-prozentige Chance, dass das Kind auch SMA übertragen kann, aber selbst nicht erkrankt. Eine 25-prozentige Wahrscheinlichkeit besteht jeweils dafür, dass ein Kind entweder nur intakte SMN1-Kopien – es kann weder an SMA erkranken noch sie übertragen – oder zwei fehlende bzw. defekte Kopien bekommt. Im letzten Fall ist das Kind dann an SMA erkrankt – statistisch gesehen 1 von 4 Kindern.

Abbildung Vererbung bei SMA

Abb. 1b: Nur ein Elternteil ist ein Träger für SMA. Besitzt der Vater ein fehlendes oder beschädigtes SMN1-Gen und hat die Mutter zwei intakte SMN1-Gene, besteht bei jedem Kind ein Risiko von 50 Prozent, dass es das fehlende bzw. defekte Gen des Vaters erbt. Statistisch gesehen werden also bei vier Kindern zwei Träger für SMA sein, wie der Vater, und zwei sind nicht betroffen, wie die Mutter.

Abbildung Vererbung bei SMA

Abb. 1c: Ein Elternteil ist an SMA erkrankt, das andere ist nicht betroffen. Der Vater ist an SMA erkrankt und hat somit zwei fehlende oder beschädigte SMN1-Gene. Die Mutter ist weder erkrankt noch Trägerin eines fehlenden oder defekten SMN1-Gens, sondern besitzt zwei gesunde Genkopien. Alle Nachkommen werden ein fehlendes bzw. defektes SMN1-Gen erben und somit Träger bzw. Trägerinnen für SMA sein, jedoch nicht selbst erkranken.

Abbildung Vererbung bei SMA

Abb. 1d: Ein Elternteil ist an SMA erkrankt, das andere ist Träger. Die Mutter ist an SMA erkrankt und der Vater ist Träger eines fehlenden bzw. beschädigten SMN1-Gens. Statistisch gesehen werden die Nachkommen zu 50 Prozent selbst an SMA erkrankt und zu 50 Prozent Träger bzw. Trägerinnen für SMA sein.

Abbildung Vererbung bei SMA

Abb. 1e: Beide Elternteile sind an SMA erkrankt. Sind sowohl Vater als auch Mutter an SMA erkrankt, werden auch alle ihre Nachkommen von SMA betroffen sein.

Tipp

Möchten Eltern, die bereits ein Kind mit SMA haben, ein weiteres Kind bekommen, können sie eine humangenetische Beratung in Anspruch nehmen. Dort werden sie über die Möglichkeiten (z. B. Pränataldiagnostik) und eventuelle Risiken informiert.

Veränderungen in der Erbinformation

Aufgrund von äußeren Einflüssen (zum Beispiel UV-Strahlung) oder durch Fehler bei der DNA-Replikation (Verdopplung der DNA für die Zellteilung) können Abweichungen in der Erbinformation, sogenannte Mutationen, auftreten.

Eine Mutation ist eine Veränderung der Erbinformation. Sie tritt spontan auf und löst eine dauerhafte Veränderung aus. Eine Deletion ist eine bestimmte Art von Mutation. Bei ihr geht ein Teil der Erbinformation verloren.

Eine andere Art der Veränderung ist die Genduplikation. Dabei verdoppelt oder vervielfacht sich ein bestimmter Genabschnitt und liegt dann dauerhaft mehrfach pro Chromosom vor. Bei SMA ist so eine Genduplikation von Vorteil: Sind mehrere Kopien des SMN2-Gens auf dem Chromosom 5 vorhanden, kann mehr SMN-Protein gebildet werden und der Verlauf der Erkrankung ist oft weniger schwer.

Proteine

Ein Protein entsteht immer nach dem Bauplan, der durch das entsprechende Gen auf der DNA vorgegeben ist. Dieser Bauplan wird von einer Polymerase (auch ein Protein) abgelesen und in RNA (ribonucleic acid; deutsch: Ribonukleinsäure) umgeschrieben. Die RNA besteht aus Introns und Exons. Im Gegensatz zu den Introns enthalten die Exons wichtige Informationen für die Entstehung des Proteins. Die Introns werden in einem speziellen Vorgang – dem Spleißen – herausgeschnitten. Aus der nun nur noch aus Exons bestehender RNA wird mithilfe von Ribosomen das Protein hergestellt. Diesen gesamten Vorgang nennt man „Proteinbiosynthese“.

Proteine haben viele verschiedene Aufgaben: Baustoffe, Regulation von Stoffwechselreaktionen, Transport von Nährstoffen und Sauerstoff, Abwehr von Infektionen etc. – so auch das SMN-Protein. Es ist unter anderem für die ordentliche Funktion und das Überleben der Motoneurone zuständig.

 

Quellenverzeichnis
  1. Pearn J. Incidence, prevalence, and gene frequency studies of chronic childhood spinal muscular atrophy. J Med Genet. 1978; 15(6): 409–413.