Die wichtigsten Fragen auf einen Blick
„Fertil“ ist das lateinische Wort für „fruchtbar“. Fertilität bzw. Fruchtbarkeit bedeutet, dass ein Mensch fähig ist, sich fortzupflanzen – also Kinder zu zeugen. Bei der Frau gehört auch die Fähigkeit dazu, das Kind auszutragen. Frauen sind zwischen der ersten Monatsblutung und dem Einsetzen der Menopause fruchtbar, Männer meist von der Pubertät bis ins hohe Alter. Das Gegenteil ist die Infertilität bzw. Unfruchtbarkeit.1
Verschiedene Studien zeigten, dass das Geschlecht durchaus eine Rolle bei der Krankheitsentwicklung von SMA spielt. So ist auch die Fertilität bei Männern und Frauen unterschiedlich betroffen. Denn das SMN-Protein, das bei SMA-Betroffenen nicht ausreichend vorhanden ist, kommt normalerweise in den Hoden in sehr hohen Mengen vor. Viel häufiger, als es in anderen untersuchten Geweben gefunden wurde. Diese hohen Level an SMN-Protein werden für Entwicklung und Funktion der Hoden sowie für die Produktion und das Überleben der Spermien benötigt. Daraus kann man schließen, dass SMA auch einen negativen Effekt auf die männliche Fruchtbarkeit haben kann.2
Zusätzlich ist eine häufige Folge von SMA der Hodenhochstand.2 Dabei befinden sich die Hoden nach der Geburt nicht im Hodensack, sondern noch im Bauchraum oder Leistenkanal. Auch das kann zu einer Unfruchtbarkeit führen, da die Temperatur im Körperinneren zu hoch ist. In den meisten Fällen werden die Hoden dann mithilfe einer Operation in den Hodensack verlagert.3
Wenn Du also männlich bist, SMA hast und gerne Kinder bekommen würdest, dann besprich dieses Thema am besten ganz offen mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt. Durch ein sogenanntes Spermiogramm kann z. B. die Qualität und Motilität Deiner Spermien bestimmt und so untersucht werden, ob Du grundsätzlich zeugungsfähig bist. Außerdem kann Deine Partnerin im Rahmen einer humangenetischen Analyse untersuchen lassen, ob sie ebenfalls Trägerin für das defekte SMN1-Gen ist und so ein erhöhtes Risiko für eine Weitervererbung der Erkrankung besteht.
Die weibliche Fruchtbarkeit scheint bei SMA hingegen kaum beeinträchtigt zu sein.2 Jedoch sollten Frauen mit SMA, die schwanger werden möchten, auf ein paar Aspekte achten. So können beispielsweise eine vorhandene Rumpfmuskelschwäche und eine Skoliose Auslöser für eine Risikoschwangerschaft sein. In den meisten Fällen erfolgt die Geburt deswegen auch per Kaiserschnitt.
Bei schwereren SMA-Formen sollte vor einer geplanten Schwangerschaft die Lungenfunktion überprüft werden. Denn eine Schwangerschaft ist eine große Herausforderung für den Körper und fordert sowohl das Herz-Kreislauf-System als auch die Lungenleistung heraus. Bei sehr starker Beeinträchtigung der Lungenfunktion ist eine individuelle Abwägung von der Stärke des Kinderwunsches und den möglichen Risiken einer Schwangerschaft für die Frau sinnvoll.
Bist Du also weiblich, hast SMA und sitzt im Rollstuhl, dann besprich Deinen Kinderwunsch am besten mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt. Zusätzlich hat Dein Partner die Möglichkeit, sich humangenetisch untersuchen zu lassen. Dann erfahrt Ihr, ob Dein Partner vielleicht ebenfalls ein defektes SMN1-Gen trägt und wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Ihr ein Kind mit SMA bekommt.
Steht der Wunsch nach einem Kind fest und wurde festgestellt, dass beide theoretisch fruchtbar sind, können weitere Fragen auftauchen: Können SMA-Medikamente während der Schwangerschaft und Stillzeit weiter angewendet werden? Kann es durch die Schwangerschaft und eine mögliche Therapiepause zu einem Fortschreiten der Erkrankung kommen?
Bisher gibt es drei zugelassene Therapieoptionen für SMA: eine Gentherapie und zwei Splicing-Modifizierer. Wenn Du eine dieser Therapien bekommen hast oder aktuell einnimmst, solltest Du Deinen Kinderwunsch gemeinsam mit Deinem Behandlungsteam vorbereiten. Während für manche Therapie keine Daten zu Fertilität und Schwangerschaft vorliegen, so gibt es bei anderen Medikamenten klare Empfehlungen hinsichtlich empfängnisverhütender Maßnahmen während der Einnahme.
Vor Beginn einer Therapie sollte bei Frauen mit SMA eine Schwangerschaft durch einen Test ausgeschlossen werden. Für männliche Betroffene kann es zudem in vielen Fällen sinnvoll sein, sich über Maßnahmen zur Sicherung der Fertilität aufklären zu lassen. Darüber hinaus kann der zuständige Arzt oder die Ärztin dazu beraten, ob und wie lange die Therapie bei einem konkret bestehenden Kinderwunsch unterbrochen werden muss.
Du siehst, durch eine enge, vertrauensvolle Kommunikation mit Deinem Behandlungsteam aber auch Deinem Partner bzw. Deiner Partnerin und einer guten, langfristigen Planung und Vorbereitung, muss eine SMA-Therapie also nicht grundsätzlich ein Ausschlusskriterium für Deinen Kinderwunsch sein.
Während der Schwangerschaft kann es manchmal zu unterschiedlich stark ausgeprägten Verschlechterungen der Erkrankung kommen, die teilweise auch nach der Geburt weiter bestehen. Dazu kommt es bei der Geburt, besonders beim Typ 2 SMA, häufiger zu Kaiserschnitten und Frühgeburten. Dennoch fand eine Studie in einer Umfrage heraus, dass die meisten Frauen mit SMA, unabhängig von ihrem SMA-Typ, ihre Schwangerschaft als positiv erleben.4
Über 90 Prozent der betroffenen Frauen bereuen die Entscheidung nicht, schwanger geworden zu sein, und würden es noch einmal tun. Sie waren ebenfalls mit der Betreuung in der Geburtshilfe und der Anästhesie zufrieden. Ein kleiner Teil hatte sich vor der Schwangerschaft genetisch beraten lassen.4 Dabei wird auch besprochen, wie hoch die Chance ist, dass das ungeborene Kind ebenfalls an SMA erkrankt ist. Nach der Geburt kann das zusätzlich anhand des Neugeborenen-Screenings sicher festgestellt werden.
Wenn Du SMA und einen Kinderwunsch hast, gibt es verschiedene Stellen, an die Du Dich wenden kannst. Dazu gehören neben Deinen Ärztinnen und Ärzten aus der Neurologie, Gynäkologie und Humanmedizin auch Beratungsstellen für Familienplanung oder für soziale Unterstützung. Hier haben wir ein paar Links und Tipps für Dich zusammengestellt.
Das Thema „Kinderwunsch“ ist nicht immer einfach und manchmal möchte man lieber mit einer professionellen Vertrauensperson über Sorgen, Wünsche und Probleme sprechen. Dafür gibt es verschiedene Beratungsstellen. Auf den folgenden Seiten kannst Du diese in Deiner Umgebung finden und noch weitere Informationen zu dem Thema erhalten.
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
Zusätzlich bietet das BMFSFJ auch Broschüren mit weiterführenden Informationen an.
Eine humangenetische Beratung kann vor oder während einer Schwangerschaft stattfinden. Sie ist freiwillig und egal, was dabei rauskommt: Die Entscheidung liegt alleine bei Dir und Deiner Partnerin oder Deinem Partner. Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik e. V. findest Du weitere Informationen und kannst nach Beratungsstellen in Deiner Nähe suchen.
Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e. V.
Eine Schwangerschaft und die darauffolgende Elternschaft sind auch für Menschen ohne körperliche Beeinträchtigung eine anstrengende Zeit. Sitzt man in einem Rollstuhl oder ist anderweitig körperlich eingeschränkt, kommen noch weitere Herausforderungen hinzu. Dafür kannst Du soziale Unterstützung erhalten, wie beispielsweise eine Elternassistenz. Auf der folgenden Webseite findest Du mehr Informationen und eine Suchfunktion für Beratungsstellen in Deiner Region.