Die wichtigsten Fragen auf einen Blick

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SMA und Beatmung: Warum das Thema so wichtig ist

Durch SMA kommt es zu einer fortschreitenden Muskelschwäche, welche verschiedene Muskelgruppen unterschiedlich stark beeinflusst. Auch die Atemhilfsmuskulatur kann davon betroffen sein. Je nach Verlaufsform können daher früher oder später Probleme bei der Atmung auftreten, sodass eine Atemunterstützung zu empfehlen ist.

Folgende Symptome können bei einer Atemmuskelschwäche auftreten: Tagesmüdigkeit, ungewolltes Einschlafen, morgendliche Kopfschmerzen sowie vermehrtes Träumen. Anhalt gibt zum Beispiel eine Untersuchung der Lungenfunktion mittels Spirometrie. Hier wird die Vitalkapazität im Sitzen und im Liegen untersucht. Ist die Vitalkapazität im Liegen um 20 Prozent im Gegensatz zum Sitzen reduziert, ist dies ein Hinweis auf eine Beeinträchtigung der Atemmuskulatur.

Wie funktioniert Atmung?

Wenn wir einatmen, strömt Luft von außen durch Nase oder Mund über den Rachen und die Luftröhre in die Lunge. Die Luftröhre teilt sich in zwei Äste auf: die beiden Hauptbronchien (s. Abb. 1). Diese treten jeweils in einen Lungenflügel ein und verzweigen sich weiter zu Bronchien und Bronchiolen, die schließlich in sogenannten Lungenbläschen, den Alveolen, enden. In den Lungenbläschen findet über ein Netz aus kleinsten Blutgefäßen, den Kapillaren, ein Gasaustausch statt: Hier gelangt der Sauerstoff aus der eingeatmeten Luft ins Blut und wird über das Herz im Körper verteilt, während Kohlendioxid aus dem Blut in die Luft der Lunge eintritt und so ausgeatmet werden kann. Den Sauerstoff verbrauchen die Körperzellen für Stoffwechselvorgänge, Kohlendioxid entsteht dabei als Abfallprodukt.

 

Abbildung Darstellung der Lungen und der Atemwege.

Abbildung 1: Darstellung der Lungen und der Atemwege. In der Medizin und der Biologie bildet man Menschen von vorne ab, das bedeutet, dass die rechte und die linke Seite hier umgekehrt dargestellt sind.

Welche Rolle spielen die Muskeln bei der Atmung?

Die Atmung unterliegt einem komplexen Regelwerk. Die mechanische Arbeit zur Atmung leistet die Atemhilfsmuskulatur. Hierzu gehören Zwerchfell, Zwischenrippen-, Schulter- und Brustmuskulatur. Das Luftholen funktioniert, indem ein Unterdruck erzeugt wird, sodass Luft in die Lunge hineingesogen wird. Dazu muss sich die Lunge beim Einatmen ausdehnen, was eine aktive Erweiterung des Brustkorbs voraussetzt. Atmen wir aus, entspannt sich die Atemhilfsmuskulatur. Dadurch verringert sich das Lungenvolumen, sodass Überdruck entsteht und die Luft wieder hinausströmt. Die wesentliche Arbeit leistet hier das Zwerchfell. Beim Zwerchfell handelt es sich um unseren größten Atemmuskel, der Bauch- und Brustraum voneinander trennt. Je nachdem welche Muskelgruppen beteiligt sind, unterscheidet man zwischen Brust- und Bauchatmung. Bei der Bauchatmung wird das Zwerchfell angespannt und senkt sich ab. Dies ermöglicht der Lunge, sich nach unten auszudehnen. Werden die Zwischenrippenmuskeln angespannt, hebt sich der Brustkorb, sodass die Lunge mehr Raum bekommt. Hierbei spricht man von Brustatmung. Normalerweise werden Brust- und Bauchatmung kombiniert.

Steuerung der Atmung

Die Steuerung der Atmung läuft über das Atemzentrum, welches sich im Hirnstamm befindet. Obwohl es sich bei der Atmung um eine automatisch gesteuerte Grundfunktion handelt, wie zum Beispiel auch der Herzschlag, ist sie zumindest teilweise willentlich beeinflussbar. Über Rezeptoren in den Blutgefäßen werden dem Gehirn die Kohlendioxid- und Sauerstoffkonzentrationen übermittelt. Während sich der Sauerstoffgehalt jedoch eher gering auf die Atmungsregulation auswirkt, hat die Kohlendioxidkonzentration einen wichtigen Einfluss: Ist zu viel Kohlendioxid im Blut, erhöht sich die Atemfrequenz, sodass vermehrt Kohlendioxid an die Atemluft abgegeben wird. Ist das Kohlendioxid wieder abgeatmet, reduziert das Atemzentrum die Atemfrequenz.

SMA und Atmung

Bei SMA kann die Muskelschwäche die Atemhilfsmuskulatur – insbesondere das Zwerchfell – und damit die Atmung beeinträchtigen. Dies tritt häufig zuerst während des Schlafes und im Liegen auf, wenn die Atemmuskulatur entspannt ist. Diese Entspannung beeinträchtigt die aktive Vergrößerung des Brustraumvolumens und das Lungenvolumen nimmt ab. Das Volumen der zuführenden Atemwege, in denen kein Gasaustausch stattfindet, bleibt aber gleich. Dadurch verschiebt sich das eingeatmete Luftverhältnis zu Ungunsten der neuen frischen Luft. Kohlendioxid aus der verbrauchten Luft wird vermehrt rückgeatmet und reichert sich an (sekundäre alveoläre Hypoventilation). Mit der Zeit können die Probleme aber auch auftreten, wenn der Betroffene wach ist. Zu den ersten Anzeichen einer ansteigenden Kohlendioxidkonzentration (Hyperkapnie) gehören Kopfschmerzen, Müdigkeit, Unkonzentriertheit und der Eindruck, vermehrt zu träumen. Wenn zusätzlich Atempausen auftreten oder die sekundäre alveoläre Hypoventilation fortgeschritten ist, dann kommt es auch zu einer sinkenden Sauerstoffsättigung im Blut (Hypoxämie).

 

Info

Viele SMA-Patienten sind von einer Skoliose betroffen. Dabei handelt es sich um eine Verkrümmung der Wirbelsäule. Auch durch Skoliose kann es zu Atemproblemen kommen, da die Lunge in ihrem Volumen eingeschränkt wird.

Check-up im Schlaflabor

Treten diese Symptome auf, ist es empfehlenswert ein Schlaflabor aufzusuchen – im besten Fall eines, das auf neuromuskuläre Erkrankungen spezialisiert ist. Auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) findet sich eine Liste von zertifizierten Schlaflaboren in Deutschland. 

Um zu überprüfen, ob ein Patient Atempausen, eine zu flache und/oder zu schnelle Atmung, eine verminderte Sauerstoffsättigung und/oder einen erhöhten Kohlendioxidgehalt im Blut hat, sollten im Schlaflabor eine Polygrafie oder Polysomnografie und eine Kapnometrie durchgeführt werden. Die Kapnometrie ist insbesondere für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen wichtig. Bei einem zu hohen Kohlendioxidspiegel besteht die Gefahr einer Kohlendioxidnarkose, obwohl die Werte der Polygrafie und der Polysomnografie nicht auffällig waren.

Viele SMA Patienten haben nicht nur Probleme mit der Atmung, sondern auch mit dem Schlucken. Eine weitere Untersuchung, die in diesem Zusammenhang sinnvoll sein kann, ist die sogenannte FEES-Untersuchung (fiberendoskopische oder auch videoendoskopische Schluckuntersuchung). Dabei wird die Schluckfunktion mit einer Kamera geprüft. Bei SMA-Patienten kann es dazu kommen, dass sie sich verschlucken, das Verschluckte in die Lunge gerät und nicht wieder hochgehustet werden kann. Dies kann unter Umständen zu Lungenentzündungen führen. Durch Geräte wie Hustenhilfen und Rüttelwesten können Sekrete oder Verschlucktes gelockert und besser ausgehustet werden.

 

Atemtherapien für SMA-Patienten

Die häufigste nächtliche Atemunterstützung, welche in Schlaflaboren angewandt wird, ist die CPAP-Therapie („Continuous Positive Airway Pressure“; auf Deutsch: kontinuierlicher Atemwegsüberdruck). Hier wird während des Schlafs über eine Maske ein kontinuierlicher Überdruck erzeugt. Indiziert ist diese Therapie für Menschen, die nachts Atemaussetzer haben (obstruktive Schlafapnoe; OSA), weil zum Beispiel aufgrund von starkem Übergewicht die Luftwege kollabieren. Dies ist bei SMA-Patienten in der Regel jedoch nicht die zugrundeliegende Ursache ihrer Atemprobleme. Da eine nachlassende Muskelkraft, welche das Ausatmen gegen Widerstand erschwert, der Auslöser ist, ist die CPAP-Therapie meist nicht die adäquate Therapieform für Betroffene mit SMA.

Stellt sich heraus, dass eine – zunächst nächtliche – Atemunterstützung anzuraten ist, wird bei SMA-Patienten mit sekundärer alveolärer Hypoventilation in der Regel eine Bilevel-Therapie empfohlen. 

Dabei erfolgt über eine Maske eine nicht-invasive druckkontrollierte Beatmung. Zusätzlich können gegebenenfalls Werte wie Atemvolumen und Atemfrequenz beeinflusst werden. Für das Einatmen wird ein höheres Druckniveau eingestellt, als es die schlafende Person erreichen könnte, um eine tiefe Einatmung zu ermöglichen. Nachdem das Gerät den Moment des Einatmens registriert hat, fällt der Druck beim Ausatmen wieder auf ein niedrigeres Niveau. Die Geräteinstellungen werden im Schlaflabor vorgenommen und dort regelmäßig überprüft. Zu den Unterformen der Bilevel-Therapie gehören zum Beispiel BiPAP (Bilevel Positive Airway Pressure), BiPAP T oder BiPAP ST, wobei diese Bezeichnungen zwischen den unterschiedlichen Geräteherstellern variieren können. Therapieformen zur Beatmung, die auf der Intensivstation eingesetzt werden, werden in diesem Zusammenhang nur in Einzelfällen angewendet.

Atemprobleme treten bei Patienten mit SMA sehr häufig auf. Daher ist es empfehlenswert, bereits vor Beginn der Symptome mit einer regelmäßigen Kontrolle der Atemfunktion im Schlaflabor zu beginnen.

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit der Neurologin Frau Dr. Bianca Dräger entstanden.