Die wichtigsten Fragen auf einen Blick
Bei SMA wird im Allgemeinen zwischen fünf verschiedenen Typen unterschieden. Diese Klassifizierung hängt vom Alter bei Symptombeginn, der Anzahl an SMN2-Kopien und den bei Diagnose höchsten erreichten motorischen Meilensteinen ab (s. Tab. 1).1,2 Die häufigste Form ist SMA Typ 1. Er liegt in 60 Prozent der neu auftretenden Fälle vor.3 Die seltenste Form ist SMA Typ 4, welche erst im Erwachsenenalter auftritt.1,2 Eine weitere seltene Form ist SMA Typ 0, die schon im Mutterleib beginnt, sehr schwer verläuft und meist vor dem sechsten Lebensmonat tödlich endet.3
Die Erklärung zu vielen medizinischen Begriffen, die in diesem Text vorkommen, findest Du in unserem Glossar.
Aufgrund der beiden Ärzte, die diese Krankheit erstmals beschrieben haben, wird SMA Typ 1 auch Werdnig-Hoffmann-Erkrankung genannt. Typ 3 trägt aus demselben Grund auch die Bezeichnung Kugelberg-Welander-Erkrankung.1
Es gibt jedoch nicht den einen typischen Verlauf der SMA-Krankheit. Sie verläuft von Patient zu Patient sehr unterschiedlich und die Übergänge zwischen den verschiedenen SMA-Typen sind fließend. Daher ist eine genaue Vorhersage des Krankheitsverlaufs (Prognose) nicht möglich und die Behandlung wird nicht anhand des SMA-Typs festgelegt, sondern an den individuellen Funktionsstatus und die Symptome angepasst. Eine frühzeitige Diagnose und ein direkter Therapiebeginn sowie das Einhalten der „International Standards of Care for SMA“ (Standards der Versorgung) haben einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung und die Lebensqualität.1,2
Speziell für erwachsene Patienten und Familien aufbereitet
Die Standards der Versorgung im Original (für Fachkräfte)
Deutsche Übersetzung der erwachsenen- und familienfreundlichen Aufbereitung
Tab. 1: Einteilung der Spinalen Muskelatrophie in 5 Typen4-11
SMA Typ 4 gehört nicht zur 5q-assoziierten SMA: Fälle mit einem Krankheitsbeginn nach dem 30. Lebensjahr spielen zahlenmäßig nur eine geringe Rolle. Die Gehfähigkeit bleibt meist lange erhalten und die Lebenserwartung ist nicht reduziert. Nur ein kleiner Teil der Patienten hat eine positive Familienanamnese, und nur in Einzelfällen lassen sich Veränderungen in der SMA-Region auf Chromosom 5q nachweisen. Die Entstehung der Spätformen der proximalen SMA ist in vielen Fällen noch unbekannt.
SMA kann die meisten Muskeln im Körper betreffen, allerdings beeinträchtigt sie unterschiedliche Muskelgruppen unterschiedlich stark. Normalerweise ist die Muskelschwäche symmetrisch. Das bedeutet, dass beide Körperseiten gleich stark betroffen sind. Die rumpfnahen (proximalen) Muskeln werden dabei stärker beeinträchtigt als die rumpffernen (distalen) Muskeln. Zu den rumpfnahen Muskeln zählen die Hüft-, Rücken- und Schultermuskulatur. Zudem sind die Beine meist stärker vom Muskelschwund betroffen als die Arme. Auch die Kau-, Schluck- und Atemmuskulatur können beeinträchtigt sein und erschweren so lebenswichtige Funktionen wie Atmen und Nahrungsaufnahme.1,2
Da bei SMA der Verlust der Motoneurone stetig fortschreitet, nimmt die Muskelkraft im Verlauf immer weiter ab. Das kann erkrankungsbedingt sowohl rasch – bei schweren Verlaufsformen wie Typ 0,1 und 2 – oder langsam passieren.1 Unabhängig vom schleichenden Absterben der Motoneurone können bereits erreichte motorische Fähigkeiten auch zum Beispiel im Rahmen eines Wachstumsschubs verloren gehen, wenn mehr Muskelkraft für die Bewegungen erforderlich wird.
SMA betrifft nicht nur die Skelettmuskulatur und somit die Mobilität, sondern hat auch Auswirkungen auf andere Bereiche des Körpers. Denn das SMN-Protein wird im ganzen Körper (ubiquitär) hergestellt und ist überall in grundlegenden Zellfunktionen involviert.12-15 Zwar ist das Protein für die Motoneurone überlebenswichtig, doch beeinträchtigt ein SMN-Proteinmangel auch andere an der Muskelfunktion beteiligte Zellen. Bei den schweren Verläufen der SMA (Typ 0, 1 und 2) scheint die reduzierte SMN-Proteinmenge auch Gewebe und Organe negativ zu beeinflussen (s. Abb. 1).16-21 Aus dem Grund ist SMA eine Multiorgan-Erkrankung, die den ganzen Körper betrifft und auch dementsprechend behandelt werden sollte.
Abb. 1: Mögliche Symptome und Folgeerkrankungen bei SMA