Die wichtigsten Fragen auf einen Blick
Die SMA ist eine Multiorgan-Erkrankung. Das bedeutet, dass sie nicht nur die Motoneuronen und Muskeln betrifft, sondern auch andere Gewebe und Organe beeinträchtigen kann. Warum und wie das mit der männlichen Fruchtbarkeit zusammenhängt, erfährst Du hier.
SMA wird durch einen Mangel an SMN-Protein ausgelöst, welcher zum Absterben der Motoneuronen und somit zu einer Verkümmerung der Muskeln führt.1 Doch das SMN-Protein spielt auch in anderen Organen eine wichtige Rolle, beispielsweise in der Leber, den Nieren und im Darm.2 In besonders großen Mengen kommt es in den Hoden vor.3 Da stellt sich zwangsläufig die Frage: Beeinflusst die SMA die männliche Fruchtbarkeit?
Studien zeigten, dass Männer mit SMA häufiger von Störungen in Bezug auf die Fortpflanzung betroffen sind als Männer ohne SMA. Dazu gehören z. B. ein Hodenhochstand, eine Hodenunterfunktion, Unfruchtbarkeit oder das Fehlen von Spermien im Ejakulat (Azoospermie).3-5
Spermien entstehen in der sogenannten Spermatogenese und entwickeln sich aus Samenstammzellen (Spermatogonien). Durch Zellteilung entstehen daraus zunächst verschiedene Vorläuferzellen der Spermien (primäre und sekundäre Spermatozyten sowie Spermatiden) und schließlich die reifen Spermien.6
Vor der Pubertät ist das SMN-Protein maßgeblich an der Entwicklung und Funktion der Hoden beteiligt und ist essenziell für die Produktion und das Überleben von Spermien.3,5-8 Doch wie sieht es nach der Pubertät aus, wenn ein eventueller Kinderwunsch besteht? Eine Studie konnte einen Zusammenhang zwischen der Produktion von Spermien und der Menge an vorhandenem SMN-Protein herstellen. Untersucht wurden Männer nach der Pubertät sowohl mit als auch ohne Azoospermie. Bei Männern mit Azoospermie lag eine geringere Menge an SMN-Protein in den Samenstammzellen vor als bei gesunden Männern.6
Noch sind längst nicht alle Zusammenhänge entschlüsselt und es laufen weitere Studien, um genauere Einblicke in das komplexe Thema zu gewinnen.
SMA-Therapien zielen darauf ab, die Menge an SMN-Protein im Körper zu erhöhen – entweder mittels Gentherapie oder über Spleiß-Modifikatoren. Die Auswirkungen der Spleiß-Modifikatoren auf die männliche Fertilität beim Menschen werden zurzeit noch erforscht. Tierstudien mit Affen und Mäusen lieferten allerdings schon erste Ergebnisse.9,10
Präpubertäre Affen, die einen Spleiß-Modifikator erhielten, zeigten keine Veränderungen der Samenstammzellen.10 Bei Affen, die erst nach der Pubertät einen Spleiß-Modifikator erhielten, hatte das Medikament jedoch negative Auswirkung auf die Spermienbildung.9 Das wirkt zunächst irritierend, weil man erwarten würde, dass mit mehr SMN-Protein in den Hoden eine normalere Spermatogenese möglich sein sollte. Doch Spleiß-Modifikatoren erhöhen auch die Menge an anderen Proteinen und eines davon – FOXM1 – hat eine beeinträchtigende Wirkung auf die Bildung der Spermien.9
Diese Effekte sind im Tierversuch jedoch umkehrbar: Spleiß-Modifikatoren haben also nur eine zeitlich begrenzte Wirkung auf die Spermatogenese und verursachen keine dauerhaften Schäden.9,10 Wie das beim Menschen aussieht, ist zurzeit noch nicht bekannt. Es laufen zwar bereits Studien, aber weitere sind dringend notwendig.5,11
Wie stehen also die Chancen, als Mann mit SMA ein Kind zu zeugen? Natürlich gibt es emotionale und psychologische Belastungen: Es stellt sich die Frage, ob die Erkrankung an das Kind weitergeben wird. Doch Fallbeispiele zeigen, dass die Gründung einer Familie mit guter Planung und einem multidisziplinären Ansatz aus Neurologie, genetischer Beratung und Fertilitätsspezialistinnen und -spezialisten durchaus möglich ist.5
Bei der Familienplanung muss aber auch berücksichtig werden, dass eventuell gewisse Zeiten zwischen dem Absetzen des Medikaments und der Zeugung des Kindes liegen sollten. Zwar gibt es dazu noch keine Ergebnisse beim Menschen, Tiermodelle deuten aber auf eine notwendige Therapiepause hin. Auch können vor Therapiebeginn Maßnahmen zur Erhaltung der Fruchtbarkeit besprochen werden, wie beispielsweise das Einfrieren von Spermien oder eine künstliche Befruchtung.
Das Thema „Fertilität bei SMA“ ist sehr komplex und noch nicht ausgiebig beim Menschen erforscht. Sprich mit Deinem Behandlungsteam, wenn Du einen Kinderwunsch hast. Gemeinsam könnt Ihr überlegen, ob für Dich eine Therapiepause infrage kommen würde. Deine Ärztin oder Dein Arzt kann Dir auch weitere hilfreiche Informationen rund um das Thema zur Verfügung stellen.
Du siehst: Mit entsprechender Planung und einem guten Behandlungsteam stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich ein Kinderwunsch erfüllen kann.
Inhaltlich geprüft am 08.10.2024: M-DE-00023596