Die wichtigsten Fragen auf einen Blick
Spinale Muskelatrophien (SMA) sind seltene, genetisch bedingte, fortschreitende neuromuskuläre Erkrankungen. In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen in der EU von ihr betroffen sind. Expertinnen und Experten schätzen, dass etwa eins von 6.000 bis 10.000 Neugeborenen an SMA erkrankt. Deshalb zählt SMA zu den seltenen Erkrankungen, was den Weg zur Diagnose erschweren kann.1,2
In Deutschland gibt es für SMA seit dem 1. Oktober 2021 eine flächendeckende genetische Testung: das Neugeborenen-Screening.3 Dadurch können fast alle Fälle von SMA identifiziert werden, bevor Symptome der Erkrankung auftreten, d. h. die SMA kann frühzeitig behandelt werden, was die Entwicklungsmöglichkeiten verbessert. Vor Einführung des Neugeborenen-Screenings konnte oft eine gewisse Zeit vergehen, bis die Diagnose SMA feststand, da die Symptome je nach Verlaufsform nicht immer eindeutig sind. Die Hauptsymptome von SMA sind Muskelschwäche und Muskelschwund (Atrophie). Es können aber auch Symptome in anderen Bereichen des Körpers auftreten.
Ärztinnen und Ärzte können die SMA-Diagnose mithilfe einer molekulargenetischen Untersuchung, einem sogenannten Gentest, stellen (s. Abb. 1). Hierbei wird entweder im Rahmen des Neugeborenen-Screenings oder auch bei älteren Personen Blut abgenommen und humangenetisch untersucht. Der Test zeigt: Ist das SMN1-Gen vorhanden, ist es verändert (mutiert) oder fehlt es (deletiert). Es kann ebenfalls bestimmt werden, wie viele Kopien des SMN2-Gens vorliegen. Die Anzahl der SMN2-Kopien spielt eine Rolle bei der Bestimmung des SMA-Typs und ermöglicht somit eine Aussage über die vermutliche Schwere der Erkrankung. Denn SMA verläuft nicht immer gleich. Zwar gibt es eine Unterteilung in fünf unterschiedliche SMA-Typen, eine starre Abgrenzung existiert jedoch nicht. Am häufigsten kommt SMA Typ 1 mit etwa 60 Prozent der neu auftretenden Fälle vor,4 am seltensten Typ 4, eine Form, die erst bei Erwachsenen auftritt. Genaueres zu den verschiedenen SMA-Typen liest Du im Beitrag „Krankheitsbild bei SMA“.
Abb. 1: Der sogenannte Goldstandard für die Diagnose der SMA ist eine molekulargenetische Untersuchung auf homozygote Deletionen im SMN1-Gen. Zusätzlich lässt sich auch die Anzahl der SMN2-Genkopien bestimmen.5,6
Aufgrund der Seltenheit von SMA und der damit einhergehenden geringen Zahl an Fachleuten war die SMA-Diagnose vor Einführung des Neugeborenen-Screenings oftmals schwierig: Bemerkten Eltern oder Ärztinnen bzw. Ärzte bei einem Baby oder Kleinkind proximale Muskelschwäche oder Muskelschlaffheit (Hypotonie) sowie Schluckschwierigkeiten und Zwerchfellatmung, sollte die Verdachtsdiagnose SMA in Betracht gezogen werden. Das Gleiche gilt immer noch für Jugendliche mit Hypotonie und proximaler Muskelschwäche. Betroffene sollten bereits beim Anfangsverdacht einer neuromuskulären Erkrankung unbedingt in ein neuromuskuläres Zentrum überwiesen werden. Eine Liste neuromuskulärer Zentren findest Du hier. Auch viele Patientenorganisationen/-selbsthilfegruppen bieten auf ihren Webseiten die Möglichkeit, nach neuromuskulären Zentren in Deiner Nähe zu suchen.
Wird SMA diagnostiziert, können Betroffene und Eltern verschiedene Hilfsangebote in Anspruch nehmen. Beispielsweise gibt es Patientenorganisationen, die Informationen und Unterstützung zur Bewältigung des Alltags anbieten.
Vor allem ist wichtig, nach der Diagnose schnell zu handeln und sich über die aktuellen Therapieoptionen zu informieren, denn seit einigen Jahren ist es möglich, SMA medikamentös zu behandeln. So können sich früh behandelte Kinder heutzutage deutlich besser entwickeln.7