Die wichtigsten Fragen auf einen Blick

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Skoliose bei SMA – alles Wissenswerte

Eine mögliche Folge von Spinaler Muskelatrophie, von der viele SMA-Patienten betroffen sind, ist die Skoliose. Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „krumm“. Hier erfährst Du alles über SMA-bedingte Skoliose.

Was ist Skoliose?

Eine gesunde Wirbelsäule hat – von der Seite betrachtet – eine doppelte S-Form. Von vorne oder hinten gesehen bildet sie jedoch eine annähernd gerade Linie mit gleichmäßig aufeinander liegenden Wirbelkörpern und Bandscheiben (s. Abb. 1). Bei einer Skoliose krümmt sich die Wirbelsäule jedoch nicht nur nach vorne und hinten, sondern auch zur Seite. Zusätzlich können die einzelnen Wirbelkörper in sich (Torsion) und die gesamte Wirbelsäule in ihrer Längsachse (Rotation) verdreht sein (s. Abb. 2). Je nach Richtung der Krümmung sprechen Experten von einer links- oder rechtskonvexen Skoliose.

 

Abbildung Darstellung der Wirbelsäule

Abbildung 1: Schematische Darstellung einer gesunden Wirbelsäule von vorne und von der Seite

Abbildung Röntgenbild einer Wirbelsäule mit Skoliose
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Abbildung 2: Röntgenbild einer durch Skoliose verformten Wirbelsäule von vorn

Skoliosen können auf unterschiedliche Art und Weise entstehen. Dabei wird zwischen der idiopathischen, der funktionellen und der sekundären Skoliose unterschieden. Die idiopathische Skoliose wird durch ein Problem der Wirbelsäule selbst verursacht, zum Beispiel durch unregelmäßige Wachstumsprozesse der Wirbel, wodurch eine Störung der Wirbelsäulenstellung entsteht. Bei einer funktionellen Skoliose entsteht die Krümmung durch eine auf die Wirbelsäule wirkende Kraft – zum Beispiel durch zwei unterschiedlich lange Beine und damit einhergehender schräger Beckenposition. Entscheidend hierbei ist, dass diese Art der Skoliose in der Regel reversibel ist, wenn der einwirkende Faktor reguliert wurde. Der Begriff der sekundären Skoliosen umschließt die Gruppe der Skoliosen, die durch angeborene und erworbene Veränderungen der Wirbelkörper verursacht werden. Dazu gehört auch die neuromyopathische Skoliose, die entsteht, wenn wie bei SMA die Kraft der Rumpfmuskeln zu gering ist, um die Wirbelsäule in ihrer physiologischen Position zu halten.

Kommt es zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule, kann diese in verschiedenen Formen auftreten: C-förmig (Krümmung nur in eine Richtung), S-förmig (Krümmung mit Gegenkrümmung) und doppel-S-förmig (mehrfache Krümmung nach links und rechts) (s. Abb. 3). Abhängig davon, an welcher Position der Wirbelsäule die Krümmung vorliegt, unterscheiden Experten zwischen einer thorakalen, thorakolumbalen, lumbalen oder thorakalen und lumbalen Skoliose (s. Abb. 4). Thorakal beschreibt dabei die Brustwirbelsäule und lumbal die Lendenwirbelsäule.

Abbildung Krümmungsarten bei einer Skoliose

Abbildung 3: Krümmungsarten bei einer Skoliose

Abbildung Verschiedene Lokalisationen der Skoliose

Abbildung 4: Verschiedene Lokalisationen der Skoliose

Die Stärke einer Skoliose wird mithilfe des sogenannten Cobb-Winkels gemessen (s. Abb. 5). Dabei werden ausgehend vom Beginn und Ende der Krümmung zwei Linien gezogen. Der Winkel, in dem die zwei Linien sich treffen, gibt den Cobb-Winkel an. Ab einem Winkel von zehn Grad liegt eine Skoliose vor.

Der Cobb-Winkel gibt den Schweregrad der Skoliose vor:

Abbildung Messung des Schweregrads der Skoliose

Abbildung 5: Messung des Schweregrads der Skoliose durch den Cobb-Winkel
< 40: Skoliose 1. Grades (leichte Skoliose)
40 bis 60: Skoliose 2. Grades (mittelschwere Skoliose)
60 bis 80: Skoliose 3. Grades (schwere Skoliose)
80: Skoliose 4. Grades (sehr schwere Skoliose)

Was sind die Symptome einer Skoliose?

Zu Beginn ist eine Skoliose häufig asymptomatisch und erste Symptome treten erst bei einer stärkeren Wirbelsäulenverkrümmung auf. Bei den Symptomen kann zwischen optischen und gesundheitlichen Symptomen unterschieden werden. Zu den optischen gehören beispielsweise unterschiedlich hochstehende Schultern, ein schiefes Becken oder ein schief gehaltener Kopf sowie ein seitlicher Rippenbuckel. Diese Symptome haben keine schlimmen gesundheitlichen Auswirkungen, dienen jedoch gut als Anzeichen für eine Skoliose. Eltern von Kindern mit SMA sollten auf diese Symptome achten, damit eine Wirbelsäulenverkrümmung möglichst frühzeitig diagnostiziert werden kann.

Eine größere Auswirkung können die gesundheitlichen Symptome haben. Zu ihnen gehören beispielsweise Rückenschmerzen, Verspannungen und Versteifungen, Verschleiß, Bewegungseinschränkungen sowie die Verformung von Brust- und Bauchhöhle, was zu einer eingeschränkten Funktion von Herz, Lunge und Verdauungsorganen führen kann. So kann es unter anderem zu Atemproblemen kommen, da die Lunge in ihrem Volumen eingeschränkt wird. Pro zehn Grad Cobb-Winkel wird auch das Lungenvolumen um etwa zehn Prozent reduziert. Auch aus diesem Grund benötigen einige SMA-Betroffene eine zusätzliche Beatmung.

 

Wie können Ärzte eine Skoliose diagnostizieren?

Die Diagnose einer Skoliose erfolgt beim (Kinder-)Orthopäden durch klinische und radiologische Untersuchungen. Mithilfe der Krankenvorgeschichte (Anamnese), Fragebögen, einer körperlichen Untersuchung und bildgebenden Verfahren kann der Arzt die Skoliose feststellen. Zu der körperlichen Untersuchung gehören beispielsweise die Kontrolle, ob die Dornfortsätze der Wirbelkörper in einer Linie sind oder ob die Schulterblätter oder das Becken schief sind. 

Das am häufigsten verwendete bildgebende Verfahren zur Diagnose einer Skoliose ist das Röntgen. Dabei wird die Wirbelsäule von hinten und von der Seite geröntgt. Anhand dieser Bilder kann dann die Art der Krümmung und der Cobb-Winkel bestimmt werden. In Einzelfällen, wenn spezielle Fragestellungen vorliegen, kann ein ergänzendes MRT notwendig sein.

Liegt eine schwere Skoliose vor, führen die Ärzte zusätzlich noch eine Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie) und eine Ultraschalluntersuchung des Herzens durch. Diese Untersuchungen sind bei Menschen mit SMA besonders wichtig, da die Lungenfunktion nicht nur durch eine Skoliose und der damit einhergehenden Verkrümmung des Brustbereiches eingeschränkt werden kann, sondern auch durch die geschwächte Atemmuskulatur.

Welche Auswirkungen hat die Skoliose für Menschen mit SMA?

Eine Skoliose kann verschiedene Auswirkungen haben. Dazu gehören bei Menschen mit SMA neben Schmerzen und Bewegungseinschränkungen besonders die Beeinträchtigungen der inneren Organe wie Herz, Lunge und Verdauungstrakt. Dabei gilt: Je höher der Skoliose-Grad, desto schwerer sind die verursachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Bei SMA-Betroffenen sind die Auswirkungen der Skoliose auf die Lunge besonders relevant. Neben dem reduzierten Lungenvolumen kann es durch die Krümmung der Wirbelsäule auch zu einer Überblähung der Lunge (Lungenemphysem) auf der einen Seite kommen, während die andere Seite nur noch schlecht oder kaum belüftet wird (Atelektase). Das kann zu schweren Komplikationen wie einer Lungenentzündung (Pneumonie), einer Rippenfellentzündung (Pleuritis) oder einer Schleimhautentzündung der Bronchien (Bronchitis) sowie einer zu starken Belastung des Herzens führen.

Wie kann eine Skoliose behandelt werden?

Die Behandlung einer Skoliose bei SMA verläuft anders als bei einer idiopathischen Skoliose, bei der bis zu einem gewissen Maß mit Krankengymnastik und Korsetts der Skoliose entgegengewirkt werden kann. Entsteht die Skoliose aufgrund einer Schwäche der Rumpfmuskulatur wie bei SMA, kann diese nur bei sehr leichten Verkrümmungen mit geringer Schwäche der Rumpfmuskulatur durch Krankengymnastik, Rumpforthesen (Korsette) oder andere Therapien korrigiert und stabilisiert werden. Die einzige Möglichkeit bei sehr schwacher Rumpfmuskulatur eine Skoliose zu verhindern, ist die dauerhafte Ausschaltung der Schwerkraft durch eine liegende Position. Korsette und Sitzschalen sind dann allenfalls ergänzende oder vorübergehende Maßnahmen. Eine durch Rumpfmuskelschwäche verursachte Skoliose wie bei SMA schreitet ab einem bestimmten Winkel immer weiter fort. Deswegen sind eine engmaschige Kontrolle und ein rechtzeitiger Operations-Zeitpunkt entscheidend für ein gutes Ergebnis. Durch eine Operation kann die Wirbelsäule – zum Beispiel durch Versteifung – stabilisiert werden. Da dies bei Kindern jedoch nicht möglich ist, da sonst die Wirbelsäule nicht mehr richtig mitwachsen kann, gibt es auch mitwachsende Stabilisatoren.

Für eine individuelle angepasste Versorgung wenden sich Menschen mit SMA mit einer durch Muskelschwäche bedingten Skoliose am besten an ein Wirbelsäulenzentrum, in dem die Behandler bereits Erfahrung mit SMA-Patienten oder anderen Muskelschwächeerkrankungen haben.

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit der Neuropädiaterin Frau Dr. Cornelia Köhler entstanden.