Die wichtigsten Fragen auf einen Blick

© Huber & Starke / Getty Images

Sondenernährung bei SMA –
Für einen entspannteren Alltag

Hast Du Dich auch schon mal mit dem Thema Sondenernährung beschäftigt oder hast sogar selbst eine Magensonde? Hier erfährst Du einiges Wissenswertes und kannst Dich über echte Erfahrungen aus dem Leben mit SMA und einer Sonde informieren.

Viele Menschen mit SMA haben Probleme mit dem Kauen und Schlucken. Es kann sehr anstrengend sein und die Gefahr, dass etwas „in den falschen Hals“ gerät – also in die Luftröhre – ist groß. Gelangt Nahrung in die Atemwege, kann das zu Infektionen bis hin zu Lungenentzündungen führen. Und die sind nicht nur unangenehm, sondern können bei SMA-Betroffenen auch lebensgefährlich werden.

Kurzportrait
Portraitfoto

Bastian hat SMA Typ II und ernährt sich seit fast 20 Jahren über eine Perkutane Endoskopische Gastrostomie (PEG)-Magensonde. In seinem Blog berichtet er ausführlich über seine Erfahrungen und das Leben mit einer PEG-Sonde.

Einer, der das alles schon erlebt hat, ist Bastian. Weil er immer wieder mit Lungenentzündungen zu kämpfen hatte, entschied er sich schon vor Jahren für eine Magensonde. Zusätzlich fiel ihm das Kauen schwer und es dauerte sehr lange, bis er satt war. Essen war für ihn immer eine große Anstrengung. Da war die Versorgung über eine Sonde eine naheliegende Lösung. Bastian fast diesen Schritt heute so zusammen:

"Mit der Sonde war essen plötzlich überhaupt kein Stress mehr. Ich habe dadurch sehr viel Lebensqualität dazugewonnen."

Was ist Sondenernährung?

Die Sondenernährung ist ein medizinisches Hilfsmittel. Ziel ist es, bei der Nahrungsaufnahme den Nasen-Rachen-Raum, die Speiseröhre und den Mageneingang zu umgehen. Die orale Nahrungsaufnahme sowie Kauen und Schlucken können dabei entweder ganz entfallen oder auf leicht zu schluckende Nahrung wie Suppen oder schmelzende Genussmittel wie Schokolade reduziert werden. Dadurch sinkt auch das Risiko, sich zu verschlucken und damit die Gefahr für Lungenentzündungen.

Es gibt verschiedene Arten der Sondenernährung. Sie alle haben jedoch gemeinsam, dass die flüssige Nahrung über einen dünnen, flexiblen Schlauch aus haltbarem, gummiähnlichem Kunststoff direkt in den Magen oder den Dünndarm eingebracht werden kann (enterale Ernährung). Welche Variante eingesetzt wird, hängt u. a. von der Dauer, dem Alter der betroffenen Person und den Gründen der enteralen Ernährung ab. Die Gründe können verschiedene Krankheiten wie SMA oder eine Krebserkrankung sein, aber auch ein Schlaganfall, Unfall, extreme Anorexie, Demenz oder eine kognitive Behinderung. Dabei besteht etwa bei spielenden Kindern und dementen oder anderweitig kognitiv eingeschränkten Personen ein höheres Risiko, dass an dem Schlauch der Sonde gezogen wird. Deswegen wird in diesen Fällen ein Sonden-System verwendet, bei dem sich möglichst wenig Schlauch außerhalb des Körpers befindet. Mehr zu den verschiedenen Arten erfährst Du im nächsten Abschnitt.

Die Magensonde ist ein fantastisches Hilfsmittel.

– Bastian

Welche verschiedenen Arten der Sondenernährung gibt es?

Ist nur eine kurzfristige Sondenernährung geplant (< 28 Tage), kommt eine Nasensonde zum Einsatz. Hierbei wird ein Schlauch über die Nase in den hinteren Rachenraum und in die Speiseröhre bis hinunter in den Magen (nasogastrale Sonde) oder bis in den Dünndarm (nasojejunale Sonde) geführt. Nasensonden können leicht wieder entfernt werden. Bei Menschen mit SMA werden sie jedoch selten eingesetzt, da in diesen Fällen die Sondenernährung in der Regel für einen langen Zeitraum vorgesehen ist.

Dauerhaftere Lösungen sind die PEG-Sonden (Perkutane Endoskopische Gastrostomie) in den Magen oder die PEJ-Sonden (Perkutane Endoskopische Jejunostomie) in den Dünndarm. Sie können bei guter Pflege mehrere Jahre halten und sind ebenfalls reversibel. Sie müssen jedoch in einem chirurgischen Eingriff eingesetzt, ausgetauscht oder entfernt werden. Über ein Loch in der Magen- oder Dünndarmwand und der Haut führt ein Schlauch von außen direkt in den Magen oder Darm. Diese Öffnung bzw. Verbindung wird Stoma genannt. Halteplatten innen und außen verhindern, dass der Schlauch aus dem Magen oder Dünndarm rausgezogen werden kann oder zu weit hineinrutscht. Außen hat der Schlauch eine Verschlussklemme, die ein unerwünschtes Austreten von Flüssigkeiten verhindert, sowie eine Anschlussstelle, z. B. für Spritzen, über die die Sondennahrung gegeben wird. Bastian hat eine PEG-Sonde. Viele weitere Infos dazu findest Du in seinem Blog. Eine weitere Art dieser Sonden ist die PEG/J-Sonde. Hierbei führt das Stoma zwar zum Magen, aber der Schlauch geht durch den Magen bis in den Dünndarm.

Varianten der PEG-Sonde sind der sogenannte Button und der Gastrotube. Sie haben gemeinsam, dass statt der inneren Halteplatte ein mit Flüssigkeit gefüllter Ballon das Herausrutschen des Schlauches verhindert. Der Ballon kann von außen entleert oder gefüllt werden, was ein selbstständiges Wechseln der Sonde ermöglicht. Dafür muss das Stoma jedoch vollständig nach dem Setzen der PEG-Sonde abgeheilt sein. Erst dann kann nach einem weiteren Eingriff auf Button oder Gastrotube umgestellt werden. Der Unterschied zwischen Button und Gastrotube ist, dass es beim Button keinen längeren Schlauch außerhalb des Körpers gibt, sondern nur die Anschlussstelle mit einem Deckel. Das macht dieses Sonden-System weniger anfällig für versehentliches oder absichtliches Ziehen. Zusätzlich können beim Button auch Schläuche mit einem etwas größeren Durchmesser verwendet werden.

Welche Nahrung kann über eine Magensonde gegeben werden?

Über eine Ernährungssonde im Magen kann sowohl selbst gekochtes Essen als auch spezielle Sondennahrung verabreicht werden. Selbst gekochtes Essen muss püriert und mit Brühe o. Ä. verdünnt werden, damit es den Schlauch nicht verstopft.

Bei Sondennahrung besteht diese Gefahr nicht. Zudem trägt die Krankenkasse die Kosten dafür, denn Sondennahrung ist ein Medizinprodukt und wird von Ärztinnen und Ärzten verordnet. Sie kann in Apotheken oder bei speziellen Servicedienstleistern gekauft werden und es gibt mittlerweile verschiedene Hersteller, die eine große Auswahl anbieten. Zudem muss Sondennahrung voll bilanziert sein. Das bedeutet, dass alle Nährstoffe und Vitamine enthalten sein müssen, sodass eine Person problemlos nur noch mit ihr ernährt werden kann. Außerdem gibt es hochkalorische Sondennahrung, mit der die Zeit und Menge der Nahrungsaufnahme verkürzt werden können.

Wichtig: Bei allen Sonden, die bis in den Dünndarm gehen, wird die Verdauung im Magen umgangen. Deswegen sind nicht alle Sondennahrungen dafür geeignet.

Wie viel Nahrung bzw. Kalorien durch eine Sonde gegeben werden, hängt von verschiedenen Umständen ab. Dazu gehören z. B. das Körpergewicht, die Aktivität (sowohl körperliche als auch geistige Aktivitäten verbrauchen Kalorien), die zugrunde liegende Erkrankung, eventuell eingenommene Medikamente und ob Nahrung zusätzlich noch oral aufgenommen wird.

Bei einer reinen Sondenernährung ist ein Vorteil, dass die zugeführten Kalorien genau bekannt sind und dadurch das Körpergewicht besser reguliert werden kann. Menschen, die eine Ernährungssonde benötigen, sind oft untergewichtig, da ihnen das Essen schon über einen längeren Zeitraum schwergefallen ist. So ging es auch Bastian. Aufgrund der hohen Anstrengung, die das Essen mit sich brachte, dauerte es immer sehr lange bis er satt war und er wog immer ein paar Kilo zu wenig. Durch die Sondenernährung erhält er nun täglich die für ihn optimale Kalorienanzahl.

 

Alles, was mein Körper braucht, kann ich ihm über die Magensonde zuführen.

Noch wichtiger als die Nahrungsaufnahme über eine Sonde ist die Aufnahme von Flüssigkeit. Denn Trinken fällt vielen Betroffenen oft schwerer als Essen, da breiiges Essen leichter im Mund zu lenken ist als bspw. reines Wasser. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass die aufgenommenen Flüssigkeiten weder zu kalt oder zu warm sein dürfen und am besten keine Kohlensäure enthalten. Zu heiße Getränke können die Sonde beschädigen und Verletzungen im Magen auslösen und zu kalte Getränke sind unangenehm im Magen.

Wie läuft die Ernährung über eine Sonde ab?

Es gibt drei verschiedene Applikationsarten, um Nahrung oder Getränke über eine Ernährungssonde zu verabreichen.

  • Pumpe Geschwindigkeit und die Durchflussrate der Flüssigkeit können individuell eingestellt werden. Eine Pumpe ist mobil und kann am Rollstuhl befestigt oder in einem Rucksack transportiert werden. Dadurch erlaubt sie mehr Flexibilität.
  • Schwerkraft Die Fließgeschwindigkeit hängt vom Höhenunterschied zwischen Beutel und Magen sowie der Konsistenz der Flüssigkeit ab. Wasser fließt schneller als breiartiges Essen. Der Magen muss immer tiefer liegen.
  • Spritze Die Verabreichung wird auch Bolus-Gabe genannt. Im Gegensatz zu den anderen Optionen ist sie ein aktiver Prozess und kann nicht nebenbei passieren. Durchdas manuelle Drücken des Spritzenkolbens sind Menge und Fließgeschwindigkeit bestimmbar.

Die meisten Betroffen verwenden alle drei Arten oder eine Kombination davon. Bastian erzählt, dass er z. B. mit der Spritze schnell und unkompliziert Wasser zu sich nehmen kann. Nachts lässt er sich mithilfe der Pumpe Wasser zuführen, damit er stets ausreichend hydriert ist.

Welche Auswirkungen hat eine Sondenernährung auf den Alltag und das soziale Zusammensein?

Die Nahrungsaufnahme durch eine Sonde bedeutet glücklicherweise nicht, dass man im Alltag groß eingeschränkt ist oder nicht mehr mit seiner Familie oder Freunden zusammen essen kann. Eine kleine Herausforderung sind jedoch die Reaktionen der anderen Menschen. Viele Betroffene fühlen sich unwohl, in der Öffentlichkeit zu sondieren, weil sie die Blicke anderer Leute oder Mitleid vermeiden möchten. Das Mitleid rührt oft daher, dass die Menschen denken, dass Betroffene keine Freude mehr am Essen haben. Doch das stimmt nicht.

Denn zum einen kann Bastian mit anderen Menschen in netter Runde an einem Tisch sitzen und gemeinsam mit ihnen essen – nur, dass er eben etwas anderes isst, als der Rest. Die Freude an den Essensgerüchen und der Konversation – im Gegensatz zu den anderen Personen hat er auch nie den Mund voll – sowie an den eventuellen Vorbereitungen der Mahlzeit kann er problemlos miterleben.

Zum anderen bedeutet eine Sondenernährung nicht in jedem Fall, dass man kein Essen mehr oral aufnehmen kann. Richtig zubereitet kann auch Bastian kleine Portionen essen: püriert, sehr klein geschnitten, Suppen oder schmelzendes Essen wie Eis. In seinem Fall dient die Nahrungsaufnahme über den Mund dem reinen Genuss und er kann sich aussuchen, ob er diese Anstrengung auf sich nehmen möchte – z. B., wenn er sich fit genug fühlt oder ausreichend Zeit hat.

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass man mit einer Magensonde nichts mehr oral zu sich nehmen kann.

Auch wenn bei der Sondenernährung – wie bei der oralen Nahrungsaufnahme – nach wie vor Hunger, Durst und ein Sättigungsgefühl auftreten, hat Bastian sich gewisse Routinen geschaffen, um das Essen nicht zu vergessen. Schließlich ist die alltägliche Nahrungsaufnahme nicht mehr so eine aktive Tätigkeit, wie sie es vor der PEG-Sonde war. So versucht er, weiterhin zu den „normalen“ Essenszeiten zu sondieren. Wenn er unterwegs ist, stellt er sich auch manchmal einen Timer im Handy, der ihn ans Essen erinnert. Zudem führt er ein Tagebuch, wann er wie viel zu sich genommen hat, um einen Überblick zu behalten.

Bastians Blog und Webseite „Leben mit PEG“

Als bei Bastian das Thema „Sondenernährung“ anstand, hatte er zunächst einige Sorgen und Bedenken. Er begab sich auf die Suche nach Informationen und musste feststellen, dass es im Internet – obwohl es ein recht häufiger Eingriff in Deutschland ist – zwar viele medizinische Infos gibt, aber kaum Berichte von Betroffenen. Das ließ ihm keine Ruhe.

"Irgendwann dachte ich mir: Bastian, Du bist Journalist und da gibt es ein Thema mit einem unglaublich großen Bedarf an Informationen. Mach Deinen Job!"

Deswegen rief er seine eigene Website mit seinem eigenen Blog ins Leben: „Leben mit PEG“. Dort findest Du viele wertvolle Informationen und hilfreiche Tipps rund um das Thema: vom Aufbau der Sonde über Pflege, Wechsel und Ernährung bis hin zu Reisen mit der Sonde. Mit seinen Blog-Beiträgen gibt er anderen Betroffenen und Angehörigen das, was ihm damals gefehlt hat: authentische Informationen von jemandem, der aus eigener Erfahrung weiß, worum es geht.

Zum Blog: Leben mit PEG Erfahrungen aus dem Leben mit einer PEG-Magensonde