Die wichtigsten Fragen auf einen Blick
Julia, Yanis Schwester, erzählt von ihren ereignisreichen Ferien in der Kindheit und was im Urlaub mit SMA alles möglich ist.
Seit ich denken kann, war ich in den Sommerferien immer bei unseren Großeltern in Südfrankreich. Viele Jahre hat mein Bruder Yanis mich dorthin begleitet und die Ferien mit mir gemeinsam verbracht – egal, ob wir im Flugzeug hingeflogen sind oder im Auto hingefahren wurden. Beide Wege sind bei uns wahrscheinlich immer etwas anders abgelaufen als bei den meisten Familien.
Für viele Jahre mussten wir darauf achten, dass – wenn wir früh morgens das Auto gepackt haben – auch der Rollstuhl von meinem Bruder noch einen Platz finden konnte. Seit einigen Jahren haben unsere Eltern ein Auto, das so umgebaut wurde, dass das kein Problem mehr ist und der Rollstuhl nicht mehr in den Kofferraum kommt. Aber bis es so weit war, war es wichtig, darauf zu achten.
Wenn wir mit dem Flugzeug hingeflogen sind, waren wir immer auf die Hilfe der Flughafenmitarbeitenden angewiesen, da diese den Rollstuhl meines Bruders gegen einen anderen austauschen und meinen Bruder ins Flugzeug bringen mussten. Dafür wurden wir vor der üblichen Kontrolle der Passagiere abgeholt, durch die Kontrolle der Flugbesatzung und über verschlungene Wege zum Check-In gebracht. Meist fuhren wir dann in einem separaten Wagen zum Flugzeug und durften als erste einsteigen.
Unsere Großeltern haben am Ende einer sehr steilen Straße in der Nähe vom Meer gewohnt. Wenn wir vom Einkaufen, Spazieren oder Schwimmen wiederkamen, mussten wir immer dort wieder hinauf. Mein Bruder, der lange einen Aktivrollstuhl ohne Antrieb hatte, hat dafür mit all seiner Kraft Gas gegeben, eine Person hat den Rollstuhl geschoben und wurde wiederum von einer weiteren Person angeschoben. Das war anstrengend, hat aber trotzdem sehr viel Spaß gemacht.
Bei meinen Großeltern konnten wir, als wir jünger waren, an einen ganz gewöhnlichen Strand gehen und dort im Meer schwimmen gehen. Als mein Bruder aber mit 12 Jahren aufhörte zu laufen, begannen wir, an einen Strand für Menschen mit Behinderung zu gehen. Dort bekamen wir die nötigen Hilfsmittel, z. B. einen Hippocampe, eine Art Wasserrollstuhl, um meinen Bruder von seinem Rollstuhl ins Meer und wieder herauszubekommen.
Ich habe immer gerne dabei geholfen, Yanis umzusetzen, ihn ins kalte Wasser zu schieben – am liebsten tat ich dies sehr schnell, damit es auch so richtig schön kalt für ihn wurde, während ich nur bis zu den Knien im Wasser stand – und ihn am Ende auch wieder aus dem Wasser zu ziehen. Trotz seiner Erkrankung hatten wir immer viel Spaß gemeinsam im Wasser, indem wir beispielsweise mit einem Wasserball gespielt oder getestet haben, wer länger die Luft anhalten kann.
Mein Bruder kann nicht so schwimmen, wie ich. Er schwimmt rückwärts im „Sitzen“ und schiebt sich mit seinen Armen weiter, ohne seine Beine zu benutzen. Dies habe ich immer mal wieder ausprobiert, habe es aber bis heute nur sehr selten geschafft, nicht innerhalb der ersten paar Sekunden mit dem Kopf unter Wasser zu sein. Aufgrund seiner SMA kann mein Bruder viele Dinge nicht, die ich und auch andere können, aber er findet seinen eigenen Weg, sich einzubringen und mitzumachen.
Er hat mir bewiesen, dass es auch andersrum sein kann und ich etwas nicht kann, das er – manchmal sogar aufgrund der Erkrankung – kann.
Nach dem mehrwöchigen Aufenthalt bei unseren Großeltern sind wir oft mit unseren Eltern in die Berge gefahren. Hierfür musste erst eine Ferienwohnung gefunden werden, die barrierefrei war und genügend Platz bot. Beim Wandern haben wir immer nach Wegen gesucht, die nicht allzu steil oder voller herausragender Wurzeln waren, damit wir ohne große Probleme dort lang wandern konnten. Natürlich funktionierte das nicht immer und wir haben alle zusammen versucht, den Rollstuhl (natürlich inklusive meines Bruders) den Weg hochzubekommen. Auch das klappte nicht immer, weshalb wir ein paar Mal umdrehen und doch einen anderen Weg gehen mussten.
Mein Bruder ist sogar schon Gleitschirm geflogen. Das konnte er natürlich nicht allein machen, aber ein Tandemflug war möglich. Bei der Landung wurde er aufgefangen, damit seine Beine nicht den Boden berührten und er sich womöglich verletzte. Auch Klettern war mein Bruder schon. Wie das möglich ist? Es gibt Kletterparks, die extra auch für Rollstuhlfahrer gemacht sind. Eine Seilbahn, „freier“ Fall und ganz viele andere Möglichkeiten, die sowohl die körperlich eingeschränkte Person als auch ihre Familien, Freundinnen und Freunde machen können. Die Familie bekommt die Möglichkeit, neben dem Klettern ohne Rollstuhl, auch ein paar Stationen mit Rollstuhl zu testen. Mein Bruder hat sich mit dem Rollstuhl beispielsweise rückwärts eine s-förmige Wand abgeseilt und hing zwischendurch kopfüber an der Wand. Es war sehr schön zu sehen, dass so etwas möglich ist. Danach durfte ich das auch mal ausprobieren. Es hat super viel Spaß gemacht und war eine schöne und spannende Erfahrung.
Die SMA meines Bruders schränkt ihn und uns zwar ein, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten und vor allem neue Sichtweisen auf die verschiedensten Dinge. Ohne die Erkrankung wäre mein Bruder bestimmt nicht die Person, die er jetzt ist.
Inhaltlich geprüft am 20.05.2025: M-DE-00026256
Julia hat einen älteren Bruder mit SMA: Yanis aus dem Face SMA Redaktionsteam. Hier erzählt sie ihre Sicht als Geschwisterkind und wie sie den Alltag so erlebt.