Die wichtigsten Fragen auf einen Blick

Ich habe einen Bruder mit SMA – so what?

Julia hat einen älteren Bruder mit SMA: Yanis aus dem Face SMA Redaktionsteam. Hier erzählt sie ihre Sicht als Geschwisterkind und wie sie den Alltag so erlebt.

„Das ist so unfair! Wieso muss ich das allein machen und er nicht?“ „Wieso muss ich das machen und er nicht?“ Diese Sätze haben meine Eltern bestimmt unzählige Male von mir gehört, als ich noch ein kleines Kind war, und ich leugne nicht, dass sie es heute nicht auch noch ab und zu tun. 

Ich bin damit groß geworden, dass mein Bruder immer mehr Unterstützung brauchte und bekam als andere Kinder. Oft habe ich nicht verstanden, warum ich nicht ebenso viel Unterstützung erhalten habe. Mir hat man immer gesagt, dass ich etwas selbst kann, obwohl mein Bruder, der zwei Jahre älter ist als ich, dabei noch immer Hilfe bekommen hat … das klang nicht gerade einleuchtend. 

Mein Name ist Julia und ich bin 17 Jahre alt. Mein Bruder hat Spinale Muskelatrophie Typ 3. Meine Eltern wissen, dass mein Bruder eine Krankheit hat, seitdem er zweieinhalb Jahre, sprich, als ich etwa vier Monate alt war. Seinen ersten Rollstuhl bekam er mit fünf Jahren. Für mich, als damals 3-Jährige, war es sicherlich schwierig, die Situation zu verstehen. Es fühlt sich für mich dennoch so an, als wüsste ich schon mein ganzes Leben, was für eine Erkrankung mein Bruder hat. 

Unser Normal ist anders

Wenn wir gemeinsam draußen sind, gucken uns viel mehr Menschen an, als wenn ich mit meinen Freundinnen und Freunden draußen bin. Auch das habe ich früher nicht begriffen. Was ist so besonders? Warum gucken die Leute? Irgendwann habe ich verstanden, dass es nicht „normal“ ist, einen Bruder zu haben, der im Rollstuhl sitzt. Ich sehe meinen Bruder wie eine ganz normale Person – und das ist er auch! – und würde mir wünschen, dass alle anderen auch nicht bloß den Rollstuhl sehen könnten. Auch wenn jemand eine Behinderung hat, ist er ein Mensch! Das scheint nicht immer allen klar zu sein. 

Obwohl er in einem Rollstuhl sitzt, kann man super viel Spaß mit ihm haben. Man muss eine Person im Rollstuhl auch gar nicht mit Samthandschuhen anfassen, etwa, wenn es darum geht, wer irgendwas holen geht, denn sie hat vier gesunde Reifen und kann sich damit auch fortbewegen. Natürlich gibt es aber Situationen, in denen die Erkrankung es nicht erlaubt, dass der Betroffene etwas machen kann und dann muss man als Geschwisterkind öfter mal „dran glauben“. Ich finde es zwar unfair, weiß jedoch, dass Yanis nichts dafür kann und weiß auch, dass ich es nicht ändern kann. Deshalb ist es okay so. 

Unsere gemeinsamen Hobbys

Spaß gibt es auf der anderen Seite aber trotzdem mehr als genug. Als wir noch kleiner waren, haben wir im Garten Fußball gespielt. Viele fragen sich jetzt bestimmt, wie das gehen soll. Mein Bruder konnte noch laufen, zwar nicht sonderlich schnell oder lange und er war nicht sehr stabil dabei und ist oft hingefallen, aber bis er 12 Jahre alt war, konnte er es noch. 

Zum Fußballspielen hat er sich auf Knien in das Tor gesetzt, das dann aus zwei auf dem Boden liegenden Steinen oder etwas anderem, das in unserer Nähe lag, bestand, und hat sich in Richtung des Balls geworfen, um ihn zu halten. Was ich damit sagen möchte, ist, dass, auch wenn es vielleicht nicht genauso klappt wie bei anderen Kindern, es immer eine Möglichkeit gibt. 

Mein Bruder hat mir schon oft geholfen und alles Mögliche erklärt. Er kennt sich in vielen Themen gut aus. In solchen Situationen oder wenn ich mit ihm Schach spiele, wir einen Film gucken, Musik hören oder etwas Anderes in der Art machen, vergesse ich komplett, dass er in einem Rollstuhl sitzt. Manchmal machen wir zusammen Ausdauertraining oder Kraftsport. Dafür sucht er dann Übungen raus, die ich mache, und wandelt sie für sich so ab, dass er sie ebenfalls umsetzen kann. Natürlich streiten wir auch mal und er ärgert mich regelmäßig – meine Türe bleibt offenstehen, das Licht geht aus etc. – aber das gehört bei Geschwistern schließlich dazu. 

Inhaltlich geprüft am 28.11.2024: M-DE-00024155