Die wichtigsten Fragen auf einen Blick
Wie Julian neben seinen anderen Aktivitäten im Behindertensport auch zum Fachbereichsleiter im Deutschen Rollstuhl-Sportverband wurde und wie sein Ehrenamt ihn sogar bis zum Bundesverdienstkreuz führte, erfährst Du in seinem folgenden Blog-Beitrag.
Es war ein nobles Münchner Café im Hochsommer 2013 und Stefan, der derzeitige Fachbereichsleiter im DRS (Deutscher Rollstuhl-Sportverband), ließ seinen gesamten Charme sprühen. Ich kann mich noch genau an dieses Gespräch erinnern, in dem er mich dafür gewonnen hat, seinen großen Posten als Fachbereichsleiter zu übernehmen.
Stefan und ich waren in diesem Sommer mit ein paar anderen engagierten Leuten mittendrin, das größte Event im Powerchair Hockey zu organisieren, das es bis dato gegeben hatte: die Weltmeisterschaft 2014 in München. In dieser Tätigkeit blühte ich auf. Als freundlicher und diplomatischer Mensch hatte ich die Teilnehmer-Kommunikation zu verantworten und weil es mir Spaß machte, den engen Kontakt zu den acht Nationen – darunter auch Australien – zu führen und jedes kleinste Detail für unsere Gäste zu besprechen und vorzubereiten, arbeitete ich sehr gewissenhaft und ordentlich. Stefan wusste das zu schätzen und bat mich wegen meiner Erfahrung und meiner Umsicht auch bei vielen anderen Organisationspunkten wie Hotel, Halle, Öffentlichkeitsarbeit und Eröffnungsfeier um meinen Rat. Und dann lud er mich also auf einen Drink ein und verkündete mir, dass er das Amt des Fachbereichsvorsitzenden nach der WM abgeben möchte und dass er sich mich als Nachfolger wünscht.
Ob es Zufall war oder abgepasst, weiß ich nicht, aber er hatte genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. Meine zweijährige Beziehung war gerade beendet und ich hatte plötzlich viel mehr Zeit. Mein Studium war schon seit geraumer Zeit abgeschlossen und die ersten Bewerbungen als Diplom-Psychologe waren trotz meiner guten Noten fehlgeschlagen. Zu dieser Zeit musste man noch einen erheblichen Teil seines Einkommens und seines Vermögens einsetzen, um die persönliche Assistenz zu finanzieren. Da meine SMA so weit fortgeschritten war, dass die Beatmung tagsüber immer wichtiger wurde und dass ich meine gesundheitlichen Grenzen nicht außer Acht lassen durfte, fasste ich den Entschluss, auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten und meinen gesamten Arbeitsalltag dem Ehrenamt zu widmen.
Tatsächlich ist es in meiner Situation nicht vorstellbar, den Vorsitz im Fachbereich Elektro des DRS neben einer Erwerbstätigkeit zu führen. Das Amt nimmt sehr viel Zeit und Energie in Anspruch. Natürlich habe ich mir ein paar fitte Leute in meinen Vorstand geholt, die einzelne Bereiche wie Öffentlichkeitsarbeit, Schiedsrichterwesen oder Klassifizierung übernehmen – und es macht sehr viel Spaß, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aber in meinem Fachbereich, dem mittlerweile drei Sportarten angehören (Powerchair Hockey, Powerchair Football und E-Ball), findet alle 2-3 Wochen eine Veranstaltung statt. Und egal ob Bundesliga-Spieltag, Turnier, Lehrgang oder Versammlung, es gibt immer genug zu koordinieren, wenn man derjenige ist, der letztlich „den Hut aufhat“.
Abseits der Veranstaltungen ist es meine Aufgabe, die Kontakte zu den Vereinen oder auch zu einzelnen Personen zu führen, denn ständig tauchen Fragen, Wünsche oder Bitten auf, denen ich natürlich nachkommen möchte. Und um heutzutage Sport auf stabile Beine zu stellen oder sogar voranzubringen, benötigt es natürlich viel Öffentlichkeitsarbeit, Spendensuche und ein gepflegtes Netzwerk. In diesem Sinne versuche ich gemeinsam mit meinem Stellvertreter, auf Messen und Symposien präsent zu sein, Online-Vorträge zu halten und Workshops durchzuführen.
Und dann gibt es noch die Nationalmannschaft. Seit 2009 bin ich Teammanager und kümmere mich in dieser Funktion um alles Organisatorische rund um die mehrtägigen Trainingslager und unsere Teilnahme bei den alle zwei Jahre stattfindenden Welt- oder Europameisterschaften. Selbstverständlich begleite ich unser Team auch zu den Turnieren und vertrete es nach außen, sprich gegenüber dem Ausrichter, dem internationalen Verband, den anderen Nationen und natürlich gegenüber den Medien und Fans.
Schon 2010, als wir sensationell Weltmeister wurden, wusste ich, dass dieses Amt das schönste unseres Sports ist. Der Großteil der Arbeit findet vor den Trainingslagern und den Turnieren statt. Währenddessen habe ich relativ wenig um die Ohren, sitze aber trotzdem in der ersten Reihe und kann Powerchair Hockey auf Weltniveau erleben, mit einer Ballführung, die fast zu schnell für die Augen ist, und mit Pass-Stafetten, die nur staunen und jubeln lassen. Es ist wunderbar und wer auch immer das Amt nach mir übernimmt, darf sich jetzt schon auf eine tolle Mannschaft und unvergessliche Veranstaltungen freuen.
Zweifelsohne ist all die Arbeit und besonders die Sponsorensuche ein mühsames Geschäft, denn finanziell könnte es sowohl unserer Nationalmannschaft als auch unserem Fachbereich durchaus besser gehen. Man rackert sich ab und trotzdem kommt ein Rückschlag nach dem anderen. Aber allein wenn ich die strahlenden Augen der 40 Spielerinnen und Spieler sehe, die beim Nachwuchsturnier im vergangenen November zum ersten Mal Wettbewerbsluft geschnuppert haben, dann weiß ich, wofür ich Stunden und Tage investiert habe, wofür ich Geld gesammelt habe, wofür ich arbeite.
Ja, ich betrachte es als Arbeit, auch wenn es keine Erwerbstätigkeit ist. Nur Auslagen werden mir erstattet und Lob oder Dankbarkeit unter den Aktiven sind rar. Aber das, was ich tue, macht absolut Sinn. Jeden Tag investiere ich dafür, das Leben der Menschen, die mir am Herzen liegen – nämlich der sportbegeisterten Menschen mit Körperbehinderung – zu bereichern. Ich arbeite für den Sport und dadurch für Lebensfreude, Spaß und Teilhabe. Und ich habe das Gefühl, dass diese Arbeit viel wichtiger und sinnvoller ist, als in irgendeinem Büro zu sitzen und Rechnungen zu schreiben. Diese Tätigkeit schafft Struktur in meinem Alltag und vor allem gibt sie Sinn und dadurch Erfüllung.
Und wenn ich dafür vom Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet werde, dann ist das eine wirklich wohltuende Anerkennung meines jahrelangen bundesweiten Engagements und eine wunderbare Wertschätzung unseres geliebten Sports.
Hier kannst Du Dir Julians Auszeichnung direkt anschauen.
Wollt auch Ihr mal Powerchair Hockey oder Powerchair Football ausprobieren? Dann schaut Euch gerne um auf www.elektrorollstuhlsport.de oder schreibt mir eine E-Mail: elektro@rollstuhlsport.de.
Inhaltlich geprüft am 09.04.2025: M-DE-00025513